Wandern im Winzerparadies Radebeul
Weiterlaufen, um schnell ans Ziel zu kommen, oder lieber noch eine kleine Pause einlegen? Zum Glück ist diese Frage bei einer Wanderung entlang der Radebeuler Lößnitzberge nichts, worüber man sich allzu lange den Kopf zerbrechen muss. Ein frischer, doch bereits sonniger Vormittag verspricht viele schöne Stunden, in denen die rund fünf Kilometer zwischen Schloss Wackerbarth und dem Spitzhaus mühelos zu schaffen sind. Und das ganz unbedingt mit genussvollen Unterbrechungen – für herrliche Ausblicke über die Elbtalweitung, ein Gläschen Sachsen-Wein oder eine deftige Stärkung.
Weinberge und Weinsichten am Schloss Wackerbarth
Schloss Wackerbarth, Erlebnisweingut und einstiger Alterssitz des Reichsgrafen August Christoph von Wackerbarth, beeindruckt unweigerlich mit seiner Kulisse. In barocker Symmetrie ziehen sich Rasenterrassen zwischen Schloss und Belvedere den allmählich ansteigenden Hang hinauf. Hoch zu den Weinstöcken von Riesling, Traminer und Scheurebe führt auch ein Pfad. Er beginnt auf der Treppe hinter dem Belvedere. Jeder Schritt, jede Stufe, jeder an Höhe gewonnene Meter fügt dem Panorama im Tal ein weiteres Puzzleteil hinzu.
Ein Stückchen weiter oben ist auch schon der Jacobstein erreicht, ein rundes Lusthäuschen auf einem Felsvorsprung. Vom Dach des schlichten, weiß verputzten Pavillons schaut eine Bacchusfigur in die Ferne. Am Fuße der Weinterrassen leuchtet Radebeul in der Sonne, die hier immer ein bisschen intensiver zu wärmen scheint als anderswo.
Ganz falsch ist dieser Eindruck nicht, denn die nach Süden ausgerichteten Steillagen sind „Sonnenfänger“. Hier am Steinrücken treffen die Strahlen beinahe senkrecht auf den Boden. Außerdem speichern und reflektieren die Trockenmauern diese Extraportion Wärme. Und das bekommt den Reben und schließlich dem Wein, selbst in einem relativ weit nördlich gelegenen Anbaugebiet wie Sachsen.
Durch den Waldpark zum Radebeuler Wasserturm
Wenige Meter höher am Hang kreuzt der Weg das Gelände der Volkssternwarte im Wohngebiet Auf den Ebenbergen. Noch 1,2 Kilometer sind bis zum Wasserturm zu bewältigen. Die Mohrenstraße hinunter, einmal links, einmal rechts abgebogen liegt davor aber erst der Waldpark.
Hier weicht die Route, die sich bisher mit dem Verlauf des Sächsischen Weinwanderweges gedeckt hatte, für einen knappen Kilometer davon ab und folgt den Markierungen mit dem roten Punkt auf weißem Grund. Wo die Schritte kurz zuvor noch leichtfüßig talwärts „rollten“, kommt nach dem Bergab nun das Bergauf im Zickzack unterm dichten Blätterdach. Vom Laub der Bäume lange verdeckt, taucht letztlich linkerhand der fast 40 Meter hohe Wasserturm auf.
Häufig wird er von den Einheimischen „Franzosenturm“ genannt, da am Bau in den Jahren 1916 und 1917 französische Kriegsgefangene beteiligt waren. Vorgelagert und zunächst jenseits der Bruchsteinmauer gar nicht vermutet, erlaubt die König-Friedrich-August-Höhe einen erneuten Ausblick in die Umgebung. Von dem Plateau lässt sich die Elbe erspähen, im Osten zeichnen sich die Umrisse der Dresdner Altstadttürme und einiger Elbsandstein-Gipfel unter dunstigen Luftschleiern ab.
Sächsisches Weinbaumuseum in der Hoflößnitz
Ein, zwei Siedlungsstraßen schließen sich an, mit Häusern inmitten üppiger und äußerst ertragreicher Gärten. Fünf Euro wandern in die Kasse des Vertrauens, Gläser mit Erdbeer-Rhabarber- und Süßkirschenmarmelade dafür in den Rucksack. Auch am Weinangebot mangelt es nicht, ob schon gleich hinter dem Wasserturm, wenig später am Paradiesberg und in Hülle und Fülle nach der kurzen Querung des Lößnitzgrundes, wo sich unterhalb der Lage „Goldener Wagen“ Weingut an Weingut reiht.
Unter anderem die historische Hoflößnitz, die zugleich das Sächsische Weinbaumuseum beherbergt. Oberhalb indes liegt das Ziel am Spitzhaus, das jetzt in Sicht kommt. Zuvor muss allerdings die Spitzhaustreppe mit ihren 397 Stufen bewältigt werden. Dort angekommen, verkündet ein Trinkspruch an der Wand des Muschelpavillons „Wasser macht weise, fröhlich der Wein, drum trinke beides, um beides zu sein.“ Ein idealer Platz zum Verschnaufen, während eine verwehte Dampfwolke über den Baumkronen und Hausdächern tief unten die eben vorbeifahrende Lößnitzgrundbahn verrät.
Zwischen Spitzhaus und Spitzhaustreppe
Die abschließenden Stationen vor Augen und alle Aufstiege der Strecke abgehakt, klingt die Tour im gemütlichen Schlendergang aus. Am nachlassenden Tempo nimmt sich die Aussicht erfreulicherweise kein Beispiel – sie legt sich stattdessen noch einmal mächtig ins Zeug: Ausgedehnter, überschwänglicher, als bisher erlebt, überziehen die Weinstöcke von ihrem obersten Punkt betrachtet das Hügelband, winden sich um Vorsprünge, folgen dem Terrain oft schnurgerade, dann wieder in leichten Kurven, die entlang der Stützmauern bisweilen Wellenbewegungen gleichen. Die Dresdner Stadtgrenze in östlicher Richtung ist spürbar näher gerückt. An den Wochenenden hat auch die Plattform des Bismarckturms geöffnet.
Die Genusswanderung endet am Restaurant Spitzhaus unmittelbar nebenan, wo sich schon zwei der berühmtesten Persönlichkeiten aus der sächsischen Geschichte zu amüsieren pflegten: Einst gehörte das Anwesen zum Besitz der Gräfin Cosel, die es wiederum 1710 August dem Starken schenkte, der den Festsaal zum Ort rauschender Feste machte. Die Landschaft hatte eben schon vor Jahrhunderten ihre Bewunderer. Bis heute verströmt sie eine sorglose Leichtigkeit, die einfach guttut.
Autorinnen: Claudia Weber und Christiane Schwarzbach
Mehr Geschichten auf die Ohren
Die vorgestellte Wanderung passiert einen Teil des Sächsischen Weinwanderweges, der sich auf insgesamt 90 Kilometern durch das Elbtal und eines der kleinsten Weinanbaugebiete Deutschlands schlängelt. Die Route führt von Pirna über Dresden, Radebeul, Coswig, Weinböhla, Niederau und Meißen bis nach Diesbar-Seußlitz. Der Sächsische Weinwanderweg kann in sechs Etappen zwischen 15 und 18 Kilometern erwandert werden.
Ein Audioguide für das Smartphone steigt unterwegs tiefer in den Kosmos des sächsischen Weins ein. An zehn mit einem QR-Code ausgestatteten Stationen geben Winzer, Weinhoheiten und Weinbotschafter Einblicke in ihre faszinierende Welt.
TIPP: Im Herbst steht das Sächsische Elbland ganz im Zeichen der Weinfeste. So zelebrieren unter anderem Radebeul und Meißen den Rebensaft und das dazugehörige Lebensgefühl.