Von Architektur bis Design: Sachsens Erbe der klassischen Moderne
An Sachsens reichem Erbe der klassischen Moderne in Architektur, Kunst und Design kommt kein interessierter Besucher vorbei. Wer das Land mit Blick auf diese Epoche der Aufbruchsstimmung bereist, entdeckt manche Besonderheit.
So wurde in Dresden bereits ab 1909 mit den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst, als Mitgründer des Werkbundes, an einer Produktionsstätte neuen Typus gebaut – und gleichzeitig an der ersten Gartenstadt Deutschlands, Hellerau. Ein Spaziergang durch diesen Dresdner Stadtteil mit seinen kleinen, von hübschen Vorgärten gesäumten Häusern öffnet heute den Blick für den zweckmäßig gestalteten Lebens- und Arbeitsraum dieser Zeit.
Bauhaus-Schaffende und ihre bahnbrechenden Kunstwerke
Klare Linien, gerade Formen, große Glasflächen: Wer sich für moderne Kunst begeistert, für den ist das Bauhaus ein Begriff, die berühmte Kunsthochschule für Gestaltung, die in Weimar gegründet wurde und später nach Dessau zog. In der Weimarer Republik war sie Vorreiter mit ihrem ganzheitlichen Ansatz für Architektur und Innenraumgestaltung.
Auch wenn sich das Bauhaus in seiner Reinheit in Sachsen kaum finden lässt, gibt es dennoch wichtige Verbindungen. Als prominente Vertreterin der Metallwerkstatt wird die Chemnitzerin Marianne Brandt in ihrer Geburtsstadt gewürdigt.
Unter dem Einfluss ihrer Lehrer Josef Albers, Wassily Kandinsky und Paul Klee waren Marianne Brandts Entwürfe für Gebrauchsgegenstände wie Kaffeeservice, Tee-Extraktkännchen oder auch Aschenbecher formgebend für die Produktgestaltung des 20. Jahrhunderts. Ihren Weltruhm begründete sie mit den für sie typischen formschönen Lampen.
Der Marianne Brandt Gesellschaft ist es zu verdanken, dass die Studienräume der 1893 geborenen Künstlerin seit dem Jahr 2000 öffentlich zugänglich sind. Sie befinden sich in Marianne Brandts Elternhaus auf der Südseite des Kaßbergs in Chemnitz.
Im Glasmuseum Weißwasser finden die bahnbrechenden Lampen- und Glasentwürfe des Bauhaus-Schülers Wilhelm Wagenfeld breiten Raum. Josef Albers wiederum, einer der wichtigsten abstrakten Künstler am Bauhaus, vollendete 1927 mit seinen Fenstern im Haupttreppenhaus des Leipziger Grassimuseums ein herausragendes Werk der Bauhaus-Glaskunst. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, sind die rekonstruierten Fenster seit 2011 wieder in ganzer Schönheit zu bewundern.
Der Maler und Kostümbildner Oskar Schlemmer zählt ebenfalls zu den wichtigen Bauhaus-Künstlern. Er hinterließ im Zwenkauer Wohnhaus Rabe ein abstraktes Wandbild, das als ein Hauptwerk architekturbezogener Bauhauskunst in Sachsen gilt.
Architektur-Ikonen jenseits des Bauhaus
Die vielfältige Architekturlandschaft der Moderne lässt sich in Sachsen auch abseits der Bauhaus-Tradition entdecken. Ein markantes Beispiel ist das frühere Kaufhaus Schocken in Chemnitz aus dem Jahr 1930.
Heute beherbergt es das Staatliche Museum für Archäologie. Mit seiner geschwungenen Fassade und den langen Fensterbändern illustriert der Bau die dynamisch-kraftvolle Architektursprache Erich Mendelsohns, die ihn zu einem Star-Architekten seiner Zeit machte.
Das 1933 fertiggestellte Wohnhaus Schminke in Löbau hingegen ist ein herausragendes Beispiel der „organischen Moderne“. Erbaut von Hans Scharoun, fehlt es in keinem Architektur-Lexikon.
Das Haus Schminke wird in einem Zug genannt mit dem Haus Tugendhat von Mies van der Rohe in Brünn/Brno (1931), der Villa Savoye von Le Corbusier in Poissy bei Paris (1928/29) und dem Haus Kaufmann „Fallingwater“ in Mill Run, Pennsylvania (1935–39) von Frank Lloyd Wright. Es steht im Übrigen nicht nur für Besichtigungen offen, man kann es auch mieten zum Feiern und Übernachten.
Ganz andere Akzente setzt ein weiteres Glanzlicht der Moderne: das sogenannte Konrad-Wachsmann-Haus in Niesky. Im Auftrag der Christoph & Unmack AG arbeitete der Architekt Konrad Wachsmann hier an der Entwicklung experimenteller Holzhäuser – schnell zu errichtenden und kostengünstigen Typenbauten. Internationales Ansehen erwarb er mit seinem Sommerhaus für Albert Einstein in Caputh bei Potsdam.
Zu einem bemerkenswerten Ensemble gehört auch das Leipziger Grassimuseum, 1925 und 1929 nach Plänen von Carl William Zweck und Hans Voigt errichtet. Hier zeigt sich später Expressionismus vor allem durch lebhaft gezackte Gestaltungsmuster im rötlich leuchtenden Porphyrtuff, was vor allem im Pfeilersaal des Museums sichtbar wird.
Mit dem Dresdner Hygiene-Museum demonstriert ein weiterer Museumsbau die enorme gestalterische Spannbreite der Moderne. 1930 eröffnet, inszeniert der monumental wirkende Bau von Wilhelm Kreis charakteristische Elemente sachlich-moderner Architektur auf ungewöhnlich repräsentative Weise.
Markante Bauten für Leben und Arbeiten
Für Überraschung in den sächsischen Metropolen sorgen etliche markante Hochhäuser aus dieser Zeit. Sie zählen zu den frühesten ihrer Art in Deutschland. Dazu gehören das Krochhochhaus am Leipziger Augustusplatz direkt neben der Oper und das gegenüberliegende Europahaus sowie das Hochhaus am Albertplatz in Dresden von Hermann Paulick.
In Chemnitz stehen das extravagante frühere Verwaltungsgebäude der Cammann-Weberei und das 1930 nach Plänen Fred Ottos errichtete ehemalige Sparkassengebäude. Heute beherbergt es mit dem Museum Gunzenhauser die bedeutendste Sammlung des Expressionismus in Deutschland.
Erwähnenswert sind auch herausragende Bauten der Sakralarchitektur wie die Chemnitzer Kreuzkirche und viele öffentliche Gebäude wie Schulen und Bäder, die die vielfältigen Prägungen der Moderne in Sachsen illustrieren. Auf der anderen Seite belohnen mehrere Beispiele des „Neuen Bauens“ im Großsiedlungsmaßstab das Interesse von Architekturliebhabern. Die sogenannte Kroch-Siedlung in Leipzig-Neu-Gohlis zum Beispiel oder die überaus markante Großwohnanlage „Leipziger Rundling“.
Quelle: sachsen-tourismus.de