Lausitzer Industriekultur: Von Pfefferkuchen bis Bandweberei
Die ländlich geprägte Oberlausitz ist vor allem als Region zum Wandern und Fahrradfahren beliebt. Ebenfalls viel zu sehen gibt es in historischen Städten, zum Beispiel in Bautzen, Görlitz, Zittau oder Kamenz. Weniger bekannt sind die Spuren, die im 19. Jahrhundert Industriezweige wie der Maschinenbau und die Textilindustrie hinterlassen haben. Bis heute finden sich Hinweise dazu in der Landschaft, an Gebäuden und in der Lebensweise der Menschen.
App-Rundgänge durch sechs Städte
Diese Spuren lassen sich auf einer individuellen Tour entlang der Industriekulturroute durch die Westlausitz und das Bautzener Oberland entdecken. Begleiter ist eine informative App, die als Audioguide an ausgewählten Stationen in Bischofswerda, Großröhrsdorf, Pulsnitz, Demitz-Thumitz, Kirschau und Obergurig anekdotenreiche Geschichten über wirtschaftliche Blütezeiten und Krisen, über Steinmetze, Weber und Maschinenbauer, über technische Innovationen und das Improvisationstalent in den volkseigenen Betrieben der DDR erzählt.
Bischofswerda: Ein expressionistischer Maler und der triste Fabrikalltag
In Bischofswerda produzierten verschiedenste Fabriken, vom VEB Mähdrescherwerk Fortschritt über die Tuchfabrik F.G. Hermann & Sohn bis zu den VEB Beleuchtungsglaswerk und Herrenoberbekleidung Bischofswerda. Einen beredten Blick zurück und mitten hinein in den tristen Alltag der Fabriken der frühen 1920er Jahre ermöglicht die Carl-Lohse-Galerie.
Der Maler aus Hamburg kam nach dem Ersten Weltkrieg auf Einladung des Armaturenfabrikanten Karl Hebenstreit nach Bischofswerda. Hier schuf Carl Lohse expressionistische Werke vom Leben der Arbeiter und deren schwerem Broterwerb. Hinzu kamen Skizzen aus den Beleuchtungswerken der Stadt.
Großröhrsdorf: Geschichte der Bandweberei
In Großröhrsdorf waren Mitte des 19. Jahrhunderts rund 70 Prozent der Bevölkerung mit der Produktion von Bändern und Gurten verbunden. Die Stadt galt als eines der Zentren der Bandweberei in Deutschland. Beeindruckende Vorführungen an mehr als 15 voll funktionierenden historischen Maschinen zeigt das Technische Museum der Bandweberei.
Untergebracht ist es in der stillgelegten Fabrik J. G. Schurig in der Schulstraße. Der Bogen spannt sich über 340 Jahre, vom einfachen Handwebstuhl bis zum modernen Webautomaten. Ein herausragendes Ausstellungsstück ist die Einzylinder-Dampfmaschine von 1896, die bis 1970 in der Kordel- und Litzenfabrik A. C. Boden in Betrieb war.
Pulsnitz: Pfefferkuchen und Blaudruck entdecken
Würzige Pfefferkuchen und das Städtchen Pulsnitz sind untrennbar miteinander verbunden. Bereits 1558 erhielten die Pulsnitzer Bäcker das Recht, Pfefferkuchen zu backen. Das tun sie bis heute ausgesprochen erfolgreich. Besonders zur Weihnachtszeit werden in Sachsen und weit darüber hinaus Pfefferkuchen genascht. Mehr über die Tradition der Pfefferküchlerei berichtet das Pfefferkuchenmuseum.
Außerdem befindet sich in Pulsnitz die wohl älteste noch produzierende Blaudruckwerkstatt in Deutschland. Das Handwerk gehört zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO und wird hier in seiner ursprünglichen Form demonstriert.
Demitz-Thumitz: Das Granitdorf am Klosterberg
Seit über 150 Jahren wird in Demitz-Thumitz rund um den Klosterberg der Naturstein Granit abgebaut. Durch den Ort führt die Granitroute, ein rund einstündiger thematischer Rundweg. Er verbindet Stationen wie den Aussichtspunkt „Großer Bruch“, die beiden Kirchen der Gemeinde und das 240 Meter lange Eisenbahnviadukt über das Schwarzwasser.
Neun der elf Bögen bestehen aus Demitzer Granit. Wichtige Schauplätze sind auch die Alte Steinsäge und die Steinmetzschule, in der bis heute das Steinmetzhandwerk und die Steinbildhauerei gelehrt werden.
Obergurig: Industrie im Spreetal
Als Friedrich August Raussendorf Mitte des 19. Jahrhunderts im Oberguriger Ortsteil Klein-Boblitz eine Schmiede kaufte, begann der Landmaschinenbau im Spreetal. Der spätere VEB Fortschritt Landmaschinen exportierte in den 1980er Jahren unter anderem nach Dänemark, Schweden, Ungarn, England, Frankreich und China.
Aus Obergurig wurden aber nicht nur Strohpressen und Mähdrescher in die weite Welt geschickt, auch Schreibgeräte und Papier liefen hier vom Band. Die Sächsische Füllhalterfabrik Singwitz startete 1922 die Produktion, Papier wurde sogar schon 1560 erstmals geschöpft.
Kirschau: Aufschwung mit Textilprodukten
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Kirschau ein unscheinbares kleines Dorf. Mit der Gründung der ersten Weberei durch Gotthelf August Friese im Jahr 1845 entwickelte sich eine bedeutende Grobgarnindustrie in Kirschau. Neben Packleinwand und Scheuertüchern waren es ab der Jahrhundertwende auch bunte Schlafdecken, die Kirschau einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung bescherten.
Der prächtige Ortskern und die zahlreichen Fabrikantenvillen erinnern noch heute an diese Blütezeit. Im früheren Fremdenhof „Zum Weber“ befindet sich heute das Wellness-Hotel „Bei Schumann“.
Die App „Industriekultur der Region“ steht im Google Playstore und bei iTunes kostenfrei zum Download zur Verfügung. Mehr unter www.industriekultur-oberlausitz.de